(No) Free Lunch

Nach unserem Abstecher radelten wir weiter auf dem Highway 8 gen Norden – meist nass bis auf die Haut, dank andauerndem Wasserfestival. Fahrtechnisch war die Strecke wenig abwechslungsreich: Es ging ständig Geradeaus, bei seichtem Auf und Ab. Doch wir sahen beeindruckende buddhistische Tempel, und es wurde uns große Gastfreundschaft zuteil.

128. Tag: Lunch im Kloster und Übernachtung bei Privatleuten daheim
129. Tag: Unser erstes Nicht-Touristenhotel und Dinner auf Kosten des Staates
130. Tag: Übernachten im Kloster
131. Tag: Pausetag in Mawlamyine

128. Tag: Lunch im Kloster und Übernachtung bei Privatleuten daheim,
Ye – Mawtkanin, 44 km, 3:11 h

Eigentlich hatten wir uns eine lange Etappe vorgenommen. Doch kaum im Sattel, stach uns das mächtige Eingangstor eines Tempels ins Auge, nur wenige Kilometer nördlich von Ye. Nach kurzem Überlegen beschlossen wir, einen Abstecher zu machen.

Die Zufahrtsstraße führte über einen Kilometer bergan, auf ein prächtig verziertes Gebäude nebst Klosteranlage zu. Busladungen voller Pilger wurden dort abgesetzt, vermutlich um den Abschluß des Wasserfests zu zelebrieren.

In Myanmar verlangt es die Tradition, schon am Eingang eines Tempels bzw. Klosters die Schuhe und Socken auszuziehen. So gingen wir barfuß auf Erkundungstour, über Schotterwege und von der Sonne glühend heiße Fliesen.

Mit brennenden Fußsohlen erreichten wir den wörtlichen Höhepunkt der Anlage: ein Gebäude flankiert von vier riesigen Buddha-Statuen. Jede blickte in eine andere Himmelsrichtung und hatte einen etwas anderen Gesichtsausdruck. Spirituelle Gesänge drangen leise aus großen Lautsprechern.

Nachdem wir je mit einem „Longyi“ angetan worden waren, einem traditionellen Kleidungsstück, getragen wie ein Rock – Männer knoten und Frauen wickeln es, durften wir das Bauwerk von innen besteigen. In surrealer Atmosphäre, zwischen spirituell und Theaterkulisse, ergab sich ein herrlicher Rundblick über die gesame Tempelanlage und die umgebende Landschaft.

War ich am morgen schon mit schwachem Magen gestartet (fremde Speisen fordern manchmal ihren Zoll), gab mir die Mittagshitze den Rest und ich brauchte dringend ein paar Stunden Ruhe. Dankbar zog ich mich auf eine der Strohmatten zurück, die im Klostergebäude für die Pilger ausgerollt waren.

Vom köstlichen vegetarischen Mahl, das Besuchern kostenlos angeboten wurde und zu dem uns eine ältere Nonne einlud, genoß ich daher leider nur den begleitenden Milchtee und mußte mir vom Rest berichten lassen.

Nach der nicht ganz freiwillig langen Pause war unser ursprüngliches Tagesziel Thanbyuzayat, mit Gästehaus für Ausländer, im Hellen nicht mehr erreichbar. Statt dessen landeten wir im Ort Mawtkanin. Dort war kein Gästehaus zu sehen.

Immer noch tobte das Wasserfestival um uns herum. Tropfnass standen wir an einer Kreuzung und fragten die Einheimischen mit Händen und Füßen nach einer Unterkunft. Da entdeckte uns Rokha, ein junger Mann auf einem Motorroller, und bot uns in bestem Englisch seine Hilfe an. Wir erklärten ihm die Lage, und er versprach sofort, uns einen Schlafplatz zu besorgen.

Unser Held des Tages meldete uns formgerecht bei der örtlichen Einwanderungsbehörde als seine Gäste an und führte uns anschließend zum Haus seiner Freundin, die er uns zunächst als Cousine vorstellte. Dort könnten wir übernachten. Wir folgten ihm dankbar.

Bei einem improvisierten „Candle Light Dinner“ erfuhren wir an diesem Abend noch viel über Myanmar und speziell das Mon-Volk, dem Rhoka angehörte und das diese Gegend hier bewohnte.

(nach oben)

129. Tag: Unser erstes Nicht-Touristenhotel und Dinner auf Kosten des Staates,
Mawtkanin – Mudon, 97 km, 6:37 h

Am nächsten Morgen begleiteten wir unsere Gastgeber zur nahegelegenen Tike Kyaung Pagode, zeitgleich errichtet mit der berühmten Shwedagon-Pagode in Yangon. Dafür standen wir um 5:00 Uhr auf und legten uns die geliehenen Longyis an.

Rokhas Freundin hatte bereits die Opfergaben gerichtet, die an der Pagoda darbracht werden sollten. Zu fünft auf zwei Rollern ging es über holprige Waldwege zur Pagode:

Nach dem Opfern wurde auch hier kostenlos zu Tisch gebeten. Es gab ein einfaches Frühstück, bestehend aus einer Reissuppe mit Gewürzen, dazu Tee:

Zurück am Haus, hieß es Abschied nehmen von unseren lieben Gastgebern. Rhoka gab uns noch den wichtigen Tipp mit auf den Weg, in fremden Städten lieber im Kloster nach einer Unterkunft zu fragen, als bei der Einwanderungsbehörde. Im Kloster würden wir mit großer Sicherheit nicht abgewiesen, dazu hätten die Behörden dort keinerlei Befugnisse.

Es folgte eine Kräfte zährende, wenig aufregende Etappe. Langsam setzte das Wasserfestival unserer Geduld und den Rädern zu: Wir reagierten nicht mehr sehr enthusiastisch auf Ganzkörperduschen und Thanaka, bzw. mittlerweile auch Rasierschaum, der uns ins Gesicht geschmiert wurde, und die Gangschaltungen der Räder begannen zu streiken.

Erschöft erreichten wir am abend Mudon. Hier gab es zwar Unterkünfte, doch keine davon durfte Ausländer aufnehmen („no“, „not appropriate for you“ oder „cannot“, hieß es an den Türen). In ein Kloster wagten wir uns für diesmal noch nicht hinein. So versuchten wir unser Glück doch nochmal bei der örtlichen Einwanderungsbehörde.

Diesmal sah es zunächst so aus, als ob wir etwas zuviel riskiert hätten: Die Stadt Mawlamyine, die Touristenunterkünfte bot und die wir am nächsten Tag erreichen wollten, lag so nah, dass wir dorthin gefahren werden sollten.

Nach ca. 1,5 Std. hartnäckigen Verhandlungen (nein, wir wollten nicht im Polizeiauto dorthin gefahren werden, auch nicht kostenlos, viel zu müde, viel zu schwacher Magen, etc.) durften wir tatsächlich bleiben und in einem nicht-lizensierten Gästehaus nächtigen:

Der freundliche Besitzer stellte uns sogar mehrere Zimmer zur Auswahl. Wir entschieden uns für dieses:

Kaum hatten wir uns entschieden und unser Gepäck abgestellt, klopfte es an der Tür und uns wurden zwei smarte, hervorragend Englisch sprechende Guides mitsamt Fahrer zur Seite gestellt – wie sich herausstellte, der Sohn des Chefs der Einwanderungsbehörde und seine Cousine. Sie begleiteten uns zum Abendessen in ein Restaurant, das „sicheres“ (wir schlossen, „hygienisch unbedenkliches“) Essen servierte:

Dinner auf Kosten der Einwanderungsbehörde

(nach oben)

130. Tag: Übernachten im Kloster
Mudon – Mawlamyine, 30 km, 1:59 h

Die heutige Etappe war kurz, und wir gönnten uns daher, einmal auszuschlafen. Als wir schließlich unsere Räder bepackten, tauchten diverse wichtig blickende Menschen auf und befragten uns zu unseren weiteren Plänen. Wir konnten die Lage nicht einschätzen und antworteten so vage wie möglich. Tatsächlich hatten wir vor, in Mawlamyine Rhokas Tipp zu folgen, dort im Kloster zu übernachten. Doch das behielten wir lieber für uns. Wir wollten nicht überwacht werden, auch wenn es angeblich zu unserem Schutz geschah, sondern uns frei bewegen können! Der Abschied aus Mudon war dennoch freundlich: Unser Herbergsbesitzer lud uns ein, jederzeit wieder in seinem Haus zu übernachten. Wir bedankten uns und machten uns auf den Weg.

Gemütlich radelten wir vorbei an Tempeln und Pagoden, die an den abenteuerlichsten Orten errichtet worden waren. Für Besichtigungen, die selbstverständlich barfuß hätten erfolgen müssen, war es uns allerdings bereits zu heiß.

In Mawlamyine angekommen, entdeckten wir zu unserer Freude einen Fahrradladen, dessen Besitzer die fest sitzende Schaltung problemlos wieder flott bekam. Bezahlen ließ er sich dafür nichts. Langsam fühlten wir uns überwältigt von der Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Bewohner dieses Landes.

Kurz darauf wurde klar, dass uns zumindest in Polizeikreisen die Nachricht unserer Ankunft vorauseilte: Noch mit einem Fuß im Laden, wurden wir von einem Polizisten in zivil abgefangen und erneut ausfragt. Ein zweiter Mann erschien, der für eines der Hotels der Stadt arbeitete. Schon sollten wir ihm folgen. Da kam uns die Idee, den Fahrradhändler im Hintergrund nach der Adresse des Klosters Mawtkanin zu fragen, das Rokha uns als Übernachtungsstätte vorgeschlagen hatte. Ein Junge auf einem Mountain-Bike wurde herbeigerufen, der uns den Weg zeigte. Wir erklärten dem kaum englisch sprechenden Polizisten, dass wir uns die Stadt anschauen wollten und fuhren davon.

Nach wenigen Minuten Fahrt erreichten wir das Kloster Mawtkanin:

Die Namensgleichheit zu Rokhas Heimatdorf war dabei kein Zufall: In Myanmar ist es nicht unüblich, dass Dörfer Klöster in größeren Städten gründen. So schaffen sie für die Dorfbewohner eine Anlaufstelle und bei Bedarf Unterkunft, ob sie nun zur Fahrzeugzulassung oder zum mehrjährigen Studium kommen.

Sämtliche Bewohner des Klosters schienen ausgeflogen zu sein. Da entdeckten wir einen alten, etwas dement wirkenden Mönch am ersten Gebäude. Mit wenig Erfolg versuchten wir ihm zu erklären, dass wir eine Unterkunft suchten. Später tauchte noch ein Arzt auf, der im Kloster wohnte. Dank seiner Übesetzungshilfe verstand der Mönch und ludt uns ein, unser Lager im großen Aufenthalts- und Gebetsraum aufzuschlagen:

Nachdem unser Lager errichtet war, machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Abendessen gab es nach diesem kurzen, aber wieder heißen Radeltag am Hafen, bei Sonnenuntergang:

(nach oben)

131. Tag: Pausetag in Mawlamyine

Mawlamyine war bis vor kurzem die südlichste Stadt in Myanmar, die von ausländischen Touristen bereist werden durfte (abgesehen von der Grenzstadt Kawthoung, die von Thailand aus bereist werden durfte).

Die in die Jahre gekommene Kolonialstilbauten verbreiteten einen maroden Charm:

Ehemaliges Kino

Besonders an den diversen Kirchen wurde der englische Einfluss auf die Stadtarchitektur deutlich. Für uns boten die Kirchen mitten in Südostasien einen fast surrealen Anblick.

Auf dem Hügelkamm über der Stadt thronen, aneinandergereiht wie die Perlen einer Kette, mehrere goldene Pagoden. Wir radelten hinauf zur U Zina Pagode.

Überlebensgroße, gütig dreinblickende Buddhastatuen, kunstvolle Ornamente und verspielte Brunnenkonstruktionen erwarteten uns, sowie ein herrlicher Ausblick über die Stadt und das Umland:

Unser nächstes Ziel war die benachbarte U Kam Di Pagoda. Sie beherbergt einen Buddha in einem prächtigen Spiegelsaal und sticht heraus durch ihre ungewöhnliche Architektur mit quadratischen Stufen statt der sonst runden Form:

Nach Sonnenuntergang rollten wir wieder bergab zum Ufer. Dort verbindet die längste Brücke Myanmars Mawlamyine mit dem Norden des Landes und damit mit den ökonomischen und sozio-kulturellen Zentren Myanmars:

Gleichzeitig stellt der Fluss die Grenze des Bundesstaates der Mon dar.

Nach einigen indisch geprägten Imbissen über den Tag, reichte am Abend ein Snack an einem der gemütlich-ursprünglichen „Straßenstände“:

Frittierte Reiswürfelchen mit scharfwürziger Soße

Auf dem Rückweg zu unserem Lager im Kloster bestaunten wir die prächtige Illuminierung der Tempel und Pagoden in der Stadt:

Kyaik Thoke Pagode – die bedeutendste Pagode der Stadt